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17,5 Millionen Deutsche haben Anrecht auf eine Betriebsrente. Doch die wenigsten machen davon Gebrauch. Nun soll das staatlich geförderte Modell aufgemotzt und rentabler werden
Uwe Saßmannshausen - Geschäftsführender Gesellschafter - PS-Pension Solutions GmbH

Uwe Saßmannshausen – Geschäftsführender Gesellschafter – PS-Pension Solutions GmbH

Altersvorsorge-Investmentrente. Klingt gut. Dynamisch, professionell, rentabel. Und auf jeden Fall um Langen besser als Betriebsrente. Aber um genau die geht es. Besser gesagt: um deren Aufmotzung. Die ist dringend nötig. 17,5 Millionen Deutsche haben gesetzlichen Anspruch auf eine Betriebsrente, aber nur knapp jeder Dritte hat einen Vertrag. Das soll sich jetzt ändern. Bereits im September stellte Hessens Wirtschaftsstaatssekretar Steffen Saebisch, 40, von Haus aus Jurist und FDP-Mann, das Konzept der Investmentrente vor. Die Idee: Die staatlich geförderte Betriebsrente, die bislang zumeist in Form einer Versicherung zu haben ist, soll künftig auch als Fondssparplan angeboten und damit rentabler werden. Den nächsten Schritt will Saebisch bei der Wirtschaftsministerkonferenz am 9. und 10. Dezember in Cottbus tun. „Anderenfalls wird Hessen im Bundesrat initiativ“, verspricht der Politiker. Das Kalkül der Hessen: Wenn mehr Bundesburger per Betriebsrente zusätzlich vorsorgen, fallen weniger im Alter den Kommunen zur Last.

Schon jetzt wurde es sich für viele Arbeitnehmer lohnen, eine Betriebsrente abzuschließen, vor allem steuerlich. Wer noch bis Jahresende einen Vertrag unterschreibt, erhalt den vollen Steuervorteil für 2010. In manchen Fällen ist das Modell sogar lukrativer als die Riester-Rente. Nur: Die wenigsten wissen das. „Ist das wirklich so?“ Die Frau, 45, Mutter von zwei Kindern, kann es kaum glauben. Direkt nach dem Gespräch will sie googeln, wie sie die Chancen nutzen kann. „Ich bin davon ausgegangen, dass nur Großunternehmen das anbieten. So ab 100 oder mehr Mitarbeitern“, sagt ein 29-Jahriger. Und ein Berufseinsteiger will gleich seine Freundin anrufen, „dass sie mal ihren Chef fragt“. Viele Deutsche sind sich zwar darüber im Klaren, dass die gesetzliche Rente allein nicht reichen wird und dass sie zusätzlich privat vorsorgen müssen. Dass eine Möglichkeit der Rentenaufbesserung die betriebliche Altersvorsorge, kurz bAV, ist, hören allerdings die meisten zum ersten Mal. Gerade 15 Prozent, das ergab eine aktuelle Umfrage des Versicherungskonzerns Ergo, die Capital exklusiv vorliegt, wissen, dass sie Anspruch darauf haben. Seit 2002 kann jeder Arbeitnehmer, der sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, einen Teil seines Einkommens in Sparbeitrage fürs Alter umwandeln. Das Kölner Marktforschungsinstitut Heute und Morgen befragte im Auftrag von Ergo 1000 Bundesburger. „Wer keine betriebliche Altersversorgung abschließt, verschenkt Geld“ – dieser Aussage stimmten 67 Prozent der Befragten zu, die einen bAV-Vertrag haben. Aber nur 36 Prozent der Bürger ohne. Bei 49 zu 26 Prozent lag das Verhältnis von Ja zu Nein bei der Frage, ob die bAV hinter der gesetzlichen Rentenversicherung die wichtigste Vorsorgeform sei. Im Klartext: Wer die betriebliche Altersvorsorge nutzt, ist von ihr überzeugt. Die Mehrheit kann mit dem Thema wenig anfangen – und lasst sich so eine Extrarente entgehen. Häufigstes Modell der Betriebsrente ist bei Neuabschlüssen die sogenannte Entgeltumwandlung via Direktversicherung. Der Arbeitgeber schließt für den Mitarbeiter eine Police ab und lasst einen Teil von dessen Gehalt einfließen. Die Auszahlung erfolgt später in Form einer Altersrente. Eine Absicherung für Hinterbliebene oder bei Berufsunfähigkeit kann dazugebucht werden. Der Vorteil: Mit Abschluss der Rente für morgen sparen Arbeitnehmer schon heute Steuern. Die Beiträge werden direkt vom Bruttolohn abgezogen und reduzieren das steuerpflichtige Einkommen. Einzahlungen bis maximal 2640 Euro pro Jahr sind frei von Steuern und Sozialabgaben. Für bAV-Verträge, die seit Anfang 2005 abgeschlossen wurden, sind jährliche Einzahlungen von weiteren 1800 Euro steuerfrei, aber sozialabgabenpflichtig. Die Beitrage können allein vom Arbeitnehmer kommen oder von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam. Zwar ist die Rente aus der Direktversicherung im Ruhestand voll steuerpflichtig, allerdings zahlen die meisten Arbeitnehmer dann deutlich geringere Steuern als während der Berufstätigkeit. Zudem sinken oft die Sozialabgaben oder fallen ganz weg. Die Auszahlung darf daher erst mit dem Erreichen der vereinbarten Altersgrenze beginnen, frühestens mit 62. Was Anleger unterschatzen: Die Konditionen können in vielen Fällen besser sein als bei den ebenfalls staatlich unterstutzten Riester- oder Rürup-Renten. Beim Riester-Konzept können maximal 2100 Euro abzüglich Zulagen pro Jahr steuerfrei eingezahlt werden. Trotzdem haben laut Umfrage nur 29 Prozent der Arbeitnehmer eine betriebliche Altersvorsorge abgeschlossen. 36 Prozent besitzen dagegen eine Riester- oder Rürup- Police, 45 Prozent eine angeforderte Lebens- oder Rentenversicherung.

Kaum einer kennt die Vorteile Eine Zurückhaltung, die mehrere Gründe hat. Von allen Befragten, die keine betriebliche Altersversorgung haben, verzichten 43 Prozent, weil der Arbeitgeber ihnen keinen Abschluss nahegelegt hat. Insbesondere bei kleinen Firmen scheint dies die Schwachstelle zu sein. Nur gut ein Drittel aller Unternehmen mit maximal neun Angestellten bietet von sich aus eine Betriebsrente an. Die Quote steigt mit der Betriebsgröße: Bei bis maximal 500 Beschäftigten sind es immerhin 69 Prozent, bei noch größeren Firmen sogar 87 Prozent. Die Mitarbeiter auf der anderen Seite gehen ungern auf die Unternehmensleitung zu und fordern ihr Recht ein. Das könnte „riskant“ sein, mutmaßt eine Interviewte. Eine andere Arbeitnehmerin zeigt vorauseilenden Gehorsam. „Da braucht man jemanden in der Personalabteilung, der das alles organisiert.“ Dieser Aufwand sei für ein kleines Unternehmen bestimmt zu gros. „Falsch“, halt Ergo-Vorstand Frank Neuroth dagegen. Bei der Entgeltumwandlung via Direktversicherung seien nur einige Formulare auszufüllen, den Rest erledige der Versicherer. Die Reserviertheit zahlreicher Firmen kann der Manager nicht verstehen. „Unternehmen haben viele Vorteile, wenn sie die betriebliche Altersversorgung forcieren.“ So spare der Arbeitgeber Sozialbeitrage – etwa 20 Prozent des investierten Lohns. „Außerdem hilft es, dringend benötigte Fachkräfte zu binden“, so Neuroth. Diese Meinung teilt Reiner Schwinger, bAV-Experte bei der Beratungsgesellschaft Towers Watson: „Pensionszusagen werden heute als attraktiver Lohnbestandteil betrachtet.“ Weiterer Pluspunkt: Die Betriebsrente kann helfen, das Ausscheiden älterer Mitarbeiter zu erleichtern. „Für traditionelle Angebote wie Altersteilzeit ist üblicherweise kaum Geld da. Da kann es einem Arbeitnehmer erheblich leichter fallen, früher in den Ruhestand zu gehen, wenn er eine zusätzliche Versorgung aufgebaut hat“, erklärt Neuroth. Für Arbeitnehmer liegt ein Vorteil bei der oft dazugehörenden Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Gesundheitsprüfung dafür ist meist vereinfacht oder fällt gleich ganz weg. Wer sich privat eine solche Police zulegt, muss meist strenge Kriterien erfüllen. Und, last, not least, Hartz- IV-sicher sind die Einzahlungen auch. Soll heißen: Selbst bei einer längeren Arbeitslosigkeit müssen Anleger diese Guthaben nicht angreifen. Risiken sind mit der Betriebsrente kaum verbunden. Bei einem Wechsel des Arbeitgebers ist das Geld mitnichten weg, wie es die größte Sorge der meisten Befragten ist. Wer alter als 24 Jahre ist und seit mindestens fünf Jahren im Betrieb arbeitet, kann das Ersparte zum neuen Unternehmen mitnehmen. Allenfalls muss ein neuer Vertrag her, wenn der Arbeitgeber mit einem anderen Versicherungskonzern zusammenarbeitet. Fast alle Versicherer, die in Deutschland aktiv sind, haben sich verpflichtet, in solchen Fällen zu kooperieren. Sie berechnen bei einem Wechsel des Arbeitgebers – und damit des Vertragspartners – keine Provisionen und verlangen auch keine neue Gesundheitsprüfung. Selbst bei kürzerer Betriebszugehörigkeit gehen die eigenen Beiträge nicht verloren, sondern nur die des Arbeitgebers. Das Unternehmen darf den Zuschuss zurückfordern, wenn der Angestellte innerhalb von fünf Jahren nach Vorsorgestart die Firma verlässt. Auch eine Pleite des Arbeitgebers bedeutet keinen Verlust der Betriebsrente, wie 46 Prozent der Befragten glauben. Der Versicherer haftet für das Kapital. „Im Falle einer Insolvenz geht nichts verloren“, bestätigt auch Uwe Saßmannshausen von der Beratungsfirma PS – Pension Solutions. Ein Nachteil für Arbeitnehmer ist allerdings, dass die Entgeltumwandlung bislang nur in Form einer Versicherung funktioniert. Fondssparplane, Banksparplane oder Wohnforderung, wie bei der Riester-Rente möglich, sucht man vergebens. Das konnte sich mit den Plänen von Hessens Wirtschaftsstaatssekretar Saebisch allerdings bald ändern. Das Modell, mit dem vor allem auf die Beschäftigten kleiner und mittelgroßer Unternehmen zugegangen werden soll, basiert auf einem Fonds, der mit einem Aktienanteil von 75 Prozent beginnt und später nach und nach in Anleihen umschichtet.

Gruppenverträge lohnen sich Weitere Schwache des Systems: Die Abschlusskosten sind oft hoch und werden meist auf die Anfangszeit des Vertrags verteilt. So landet in den ersten Jahren weniger auf dem Konto, als eingezahlt wurde. Folge: Der Zinseszinseffekt bei der Rendite kommt erst verzögert zum Tragen. Allerdings fällt dieser Nachteil wenig ins Gewicht, wenn der Arbeitgeber Zugriff auf einen Gruppenvertrag hat. Bei Branchenlosungen sind angesichts der großen Teilnehmerzahl die Abschlusskosten gering, in manchen Fällen sogar gleich null. Solche tarifvertraglichen Vereinbarungen gibt es etwa im Baugewerbe, bei Chemiefirmen, Druckbetrieben, der Metall- und Elektroindustrie. Vor Kurzem lieferte das Bundesverfassungsgericht Argumente für die Vorsorge via Arbeitgeber. Es entschied, dass Sozialabgaben nicht auf alle Betriebsrenten zu zahlen sind. Voraussetzung: Der Vertrag muss vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer übertragen sein. Das ist möglich, wenn man seine Police privat fortführt, etwa im Falle des Jobverlusts oder während der Elternzeit. Bislang hatten Experten empfohlen, den Kontrakt in solchen Fällen ruhen zu lassen, weil die staatliche Forderung wegfalle. Die genauen Rechenregeln muss nun das Bundessozialgericht klaren (siehe Kasten). Die Insider unter den Befragten verstehen kaum, warum nicht mehr eine Betriebsrente abschließen: „Das ist es, was ich meine Kollegen auch immer frage: ‚Warum macht ihr das nicht?'“

Urteil Geld zurück

Wer seine Betriebsrente privat fortgeführt hat, kann als Rentner oft Kassenbeiträge zurückfordern – und spart Abgaben Das Urteil ist eine kleine Sensation. Viele pflichtversicherte Ruheständler ärgern sich, weil sie auf Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge rund 17 Prozent Kassenbeitrag zahlen – auch wenn sie den Vertrag zuletzt privat bedienten. Zu deren Gunsten entschied nun das Bundesverfassungsgericht: Wer nach dem Abschied von der Firma in seine Betriebsrente privat als Versicherungsnehmer eingestiegen ist, muss für Leistungen aus dann gezahlten Beiträgen im Alter keine Sozialabgaben entrichten (Az.: 1 BvR 1660/08). Der Beschluss dürfte für Zigtausende Kunden einige Hundert Euro wert sein. Die Kassen prüfen das Urteil noch. Was tun?

Fordern. Stellt der Rentner noch 2010 einen Antrag, muss die Kasse die zu viel gezahlten Beiträge für dieses Jahr und die vier vorigen erstatten.
Einspruch. Wer bisher Kassenbeiträge auf eine teils privat fortgeführte Betriebsvorsorge zahlt, legt Widerspruch gegen die Prämienhöhe ein.
Vorsorge. Wer aussteigt und seine Betriebsvorsorge danach privat übernehmen will, lässt sich im Vertrag als Versicherungsnehmer eintragen.

Erschienen in: Capital, 12/2010
Von: Martin Reim, Illustration: Thomas Kappes